
Gerichtsurteil:
Regionales TV-Werbeverbot ist europarechtswidrig
Das Verbot für bundesweite TV-Programme in Deutschland, regional unterschiedliche Werbung auszustrahlen, ist zur Freude der TV-Sender laut Urteil des Landgerichts Stuttgart europarechtswidrig.

Foto: Fussl Modestraße
Die Werbung in bundesweit ausgestrahlten TV-Programmen darf künftig je nach Region des Landes unterschiedlich sein. Das entschied das Landgericht Stuttgart. Damit darf der private Medienkonzern ProSiebenSat.1 mit Sitz in Unterföhring bei München Werbung der österreichischen Modefirma Fussl Modestraße, die nur in Bayern laufen sollte, rechtssicher ausstrahlen. "Die Kammer hat die Beklagte zur Ausstrahlung der Werbung verurteilt."
Das Modeunternehmen hatte gegen den Sender geklagt, weil er die Werbung nicht zeigte. Hintergrund sind die Regelungen im Medienstaatsvertrag der Bundesländer, in dem das regionale TV-Werbeverbot steht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das TV-Unternehmen kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Oberlandesgericht Stuttgart Berufung einlegen. Ernst Mayr, Geschäftsführung Fusel Modestraße: „Für uns war es überraschend, dass eine regionale TV-Kampagne in Bayern rechtlich nicht möglich war. Als regional agierendes Modeunternehmen ist das für uns allerdings äußerst wichtig und war gegenüber den bundesweit agierenden Unternehmen ein Wettbewerbsnachteil. Darüber hinaus hielten wir diese Ungleichbehandlung lokaler Medien und internationaler Digital-Plattformen für falsch, da etwa das Fernsehen eine wichtige gesellschaftliche Rolle einnimmt und wichtig für den Pluralismus unserer Gesellschaft ist. Wir begrüßen das Urteil ausdrücklich und werden sehr bald auf den Sendern der Seven.One Entertainment Group zu sehen sein.“
Zufrieden mit dem Urteil
Auch ProSiebenSat.1 zeigte sich zufrieden mit dem Richterspruch. Vorstand Wolfgang Link teilte mit: "Die Adressierbarkeit von Werbekampagnen im TV ist ein wichtiger Wachstumsfaktor für unsere Vermarktung. Der heutige Gerichtsentscheid erschließt neue Potenziale." Er ermögliche, ab 2022 die Nachfrage nach regional adressierbarer Werbung zu bedienen. Gleichzeitig sei die richterliche Entscheidung ein wichtiger Schritt hin zu fairen Wettbewerbsbedingungen mit Internetplattformen.
Darauf gingen auch die Richter in ihrem Urteil ein, wie das Landgericht weiter mitteilte. Sie argumentierten, dass das Werbeverbot nicht dazu geeignet sei, den Schutz regionaler TV-Sender, bei denen die Regionalwerbung eine wichtige Einnahmequelle ist, umfassend zu erreichen. Denn regionale Werbung auf Internetplattformen stellten gleichfalls eine echte Konkurrenz für die regionalen und lokalen Fernsehveranstalter dar. "Die Internetplattformen würden in ähnlich großem Maße wie die nationalen Fernsehveranstalter die Einnahmen gefährden, die die regionalen und lokalen Fernsehveranstalter mit dieser Werbung erzielen." Von den Internetplattformen gehe daher die gleiche Gefahr für das finanzielle Wohlergehen und den Fortbestand der regionalen und lokalen Fernsehveranstalter aus.
Verbot verstößt gegen Gleichbehandlungsgrundsatz
Ein Schutz der Medienvielfalt in Deutschland sei mit einem regionalen TV-Werbeverbot für bundesweite TV-Sender nur "bruchstückhaft" zu erreichen. Das Verbot sei nicht vereinbar mit europäischen Regeln zum freien Dienstleistungsverkehr und dem unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
Die Bundesländer haben per Staatsvertrag festgelegt, dass eine regionale Verbreitung von Werbung in einem bundesweit ausgerichteten TV-Programm grundsätzlich verboten ist. Es gibt eine Ausnahme: Erlaubt ist das, wenn das Recht in dem jeweiligen Bundesland dies zulässt. Auch eine Zulassung ist dann nötig. Hintergrund des Verbots ist, dass die Bundesländer die Position von lokalen und regionalen Medien im Sinne der Meinungsvielfalt stärken wollen. Diese sollen von Einnahmen durch regionale Werbung profitieren können.
Bereits im Februar hatte der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) auf Bitten des Landgerichts zu dem Fall eine Einschätzung abgegeben, dass das in Deutschland geltende Regionalwerbung-Verbot für bundesweit ausgestrahlte TV-Programme gegen EU-Recht verstoßen könnte. Thomas Wagner, Geschäftsführer und Chief Sales Officer Seven.One Entertainment Group: "Endlich ist regionale Werbung auch im TV rechtmäßig. Fernsehen steht für schnellen Reichweitenaufbau und damit hohe Aufmerksamkeit. Regionale Werbung im TV erschließt nun zusätzliche Potenziale – etwa für Kund:innen mit Fokus auf einzelne Bundesländer. Wir können jetzt auf Basis der wegweisenden Gerichtsentscheidung hierfür eine Lösung anbieten und TV-Werbung genau dorthin bringen, wo es für unsere Kund:innen am wirkungsvollsten ist. Gemeinsam mit unserem Kunden Fussl Modestraße werden wir nun eine erste Kampagne kurzfristig umsetzen." (dpa/st)
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