Interview:
Nachhaltigkeit und neue Zielgruppen - die Pläne von Air up
Von der ersten verkauften Flasche bis zur nachhaltigen Produktion in Europa: Toma Perret, Head of Global Brand Strategy, gibt Einblicke in die Erfolgsgeschichte und Zukunftspläne von Air up.
Wenn der Geschmack durch die Nase kommt: Air up hat mit einer Innovation das Wassertrinken verändert. Toma Perret, Head of Global Brand Strategy, erklärt, wie es dazu kam und was das Unternehmen weiter vor hat. Beim German Brand Award 2024 wurde Air up zum "Startup of the Year" gekürt.
Herr Perret, was ist Ihr Lieblingsgetränk, wenn Sie mal kein Wasser trinken?
Ich muss gestehen, dass ich nicht auf ein Glas Wein aus meiner Geburtsregion Lavaux in der Schweiz verzichten kann. Oder ein Tropfen Mastika, der mich an Griechenland erinnert, wo ich als Kind mit meinen Eltern viele Sommer verbracht habe. Manchmal darf es aber auch ein solides deutsches Bier sein. Schließlich habe ich das Glück, eine Bayerin geheiratet zu haben. Ich denke, der Geschmack sagt viel über das Leben der Menschen aus...
Wer kam auf die Idee, Wasser mittels Duft Geschmack zu verleihen?
Die Idee stammt von unseren Gründer:innen Lena Jüngst und Tim Jäger, die beide Produktdesign an der FH in Schwäbisch Gmünd studierten. Im Sommer 2016 arbeiteten sie an ihrer Bachelorarbeit mit dem Thema „Neuroscience meets Design“. Dafür beschäftigten sie sich intensiv mit retronasalem Riechen – der Art und Weise, wie wir Geschmack über den Mund- und Rachenraum wahrnehmen. Dann kam der magische Moment, die alles entscheidende Frage: Was wäre, wenn wir nicht mehr zwischen Gesundheit und Geschmack wählen müssten? Das war der Funke, der die Idee zu einem zweifellos innovativen Produkt entzündete – einem Produkt, das nachhaltig verändert hat, wie wir Geschmack erleben.
Wann war klar: Diese Geschäftsidee hat Potenzial?
Ich glaube, Lena und Tim hätten nie gedacht, dass diese erstaunliche Idee sogar kommerziell funktionieren würde. Und ehrlich gesagt, haben ihnen das am Anfang auch viele Leute gesagt. Doch das Gründungsteam buchte mit dem letzten Kapital einen dreitägigen Verkaufspunkt bei einem Einzelhändler. Nach dem ersten Tag mussten sie alles wieder einpacken. Nicht, weil sie nichts losgeworden waren, sondern weil alle Flaschen innerhalb weniger Stunden ausverkauft waren. Die einfache Wahrheit ist: Ein Produkt hat Potenzial, wenn es einem die Verbraucher:innen sagen. Bis heute ist das immer noch das, was bei air up unsere Entscheidungen antreibt.
Wer ist Ihre Zielgruppe?
Du bist es. Ich bin es. Und auch deine Kinder sind es. Eigentlich jeder. Die Entwicklung gesunder Gewohnheiten beginnt schon in sehr jungen Jahren, und wir glauben, dass wir mit air up einen bedeutenden Beitrag zur allgemeinen Gesundheit der Menschen leisten können. Unsere Produkte ermöglichen ihnen die tägliche Flüssigkeitszufuhr mit einem natürlichen, schmackhaften Twist.
Darüber hinaus stieß unsere Idee von Anfang an auf breite Zustimmung bei jungen Zielgruppen, und wir sehen sie als unsere Inspirationsquelle: Weltweit sind sie die Vorreiter für neue Verhaltensweisen, und in einer ultravernetzten Welt können sie sogar ältere Generationen inspirieren. Tatsächlich ist es nie zu spät, mehr auf die eigene Gesundheit zu achten. Mit 50 Jahren kann ich sagen, dass ich jetzt wirklich – excuse my French – eine Scheißmenge Wasser trinke. Und das nicht nur im Vergleich zu meinem Schweizer Lieblingswein oder deutschem Bier.
Wie entscheidend ist Ihrer Meinung nach das Design für den Erfolg eines Produkts?
Design ist und war schon immer der erste Berührungspunkt für Marken. Es erzählt und verankert schnell, wofür eine Marke steht, ist ein Spiegelbild der Haltung eines Unternehmens. Natürlich ist Design auch ein Marketinginstrument, das dabei hilft, sich aus der Masse hervorzuheben und in der digitalen Geräuschkulisse bemerkbar und unvergesslich zu sein.
Kann gutes Marketing weniger gutes Design kompensieren – wie?
Es gibt ein Prinzip, das jedes neue Unternehmen frühzeitig erkennen muss. Eine Botschaft ist nicht nur ihr Inhalt und ihre Verbreitung, sondern auch, und vielleicht am wichtigsten: die Form. Es ist wichtig, frühzeitig in das Design zu investieren, da es das erste Nebenprodukt ist, das das Geschäft antreibt. Eine starke Idee, die schlecht gestaltet ist, ist weniger zugänglich, weniger verbindend und weniger vertrauenswürdig.
Ein erklärtes Ziel von Air up lautet "Nachhaltigkeit durch Design über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg". Was sind dabei die größten Herausforderungen und wie lösen Sie diese?
Am Anfang waren unsere finanziellen Mittel, wie bei allen Start-ups, sehr begrenzt. Außerdem fehlte uns das Netzwerk, um Partner:innen zu finden, die das Produkt in Europa nach unseren Vorstellungen und Qualitätsanforderungen produzieren konnten. Wir stellten schnell fest, dass dies eine Reise ist, bei der jedes Detail und jeder Schritt zählen. Dieser Prozess erfordert viel Planung, Iteration und oft auch Stolpern. Das gehört zur Wahrheit dazu. Aber wir haben schon viel erreicht: Zum Beispiel reduzieren wir durch die Verlagerung unserer gesamten Produktion in die EU die Transportdistanz für die Pods (Duftaufsätze) um bis zu 15.000 Kilometer. Weniger Transport bedeutet weniger Verschmutzung. Unsere Pod-Produktion in den Niederlanden wird vollständig mit Windenergie betrieben und unsere Tritan-Flaschenanlage in Österreich bezieht 100 Prozent ihres Stroms aus erneuerbaren Energien. Hinzu kommt, dass unser modulares Trinksystem extrem langlebig ist – du musst es nur dort ersetzen, wo es kaputt geht. Besonders stolz bin ich darauf, dass wir in diesem Jahr einen Pod mit einem nachhaltigeren, lebensmittelechten Material auf den Markt bringen werden. Es handelt sich dabei um einen biobasierten Kunststoff.
Wie integrieren Sie Nachhaltigkeit in Ihre Markenarbeit?
Wie oben erwähnt, ist Nachhaltigkeit eine Herausforderung für jede Marke. Das gilt auch für uns. Wir mussten ziemlich viel Arbeitskraft, Zeit und finanzielle Mittel aufwenden, um den Kurs zu korrigieren, den wir am Anfang unserer Reise eingeschlagen hatten. Unser grundlegendes Prinzip ist es, gegenüber den Kund:innen immer bei der Wahrheit zu bleiben. Gleiches gilt für Nachhaltigkeit: Sie beginnt mit dem Produkt, das auch das Fundament unserer Marke bildet. Wir zeigen transparent, was wir gut machen und wo wir uns verbessern könnten oder sollten, und wir versuchen nicht, billige Sympathiepunkte zu sammeln, indem wir unsere Marke oder unsere Kommunikation um ein sehr ernstes Thema wie Nachhaltigkeit herum aufbauen. Unser Produkt ist von Natur aus wesentlich nachhaltiger als Getränke in Einwegflaschen, und selbstverständlich gibt es dennoch Raum für Verbesserungen! Wenn wir Fortschritte erzielen, die bedeutsam sind, dann werden wir auch darüber sprechen. Es kann sogar andere dazu inspirieren, dasselbe zu tun. Die Wahrheit ist, dass es kein Unternehmen ohne jeglichen ökologischen Fußabdruck gibt, und ein verantwortungsbewusstes Handeln bei der Geschäftstätigkeit sollte zur Normalität gehören.
Spielen wir etwas Zukunftsmusik: Können Sie uns verraten, was Sie für die kommenden Jahre geplant haben? Ist beispielsweise eine Erweiterung des Produktportfolios geplant?
Wir stehen erst am Anfang unserer Reise, und es gibt noch eine ganze Menge zu tun. Viele leidenschaftliche Menschen in sehr vielfältigen Teams arbeiten daran. Ich will ganz ehrlich sein: Wir wissen heute noch nicht genau, was morgen kommen wird. Wir arbeiten jeden Tag daran, die Bedürfnisse und Erwartungen unserer Kund:innen zu verstehen, um unser Angebot weiter zu verbessern. Das ist unser Anspruch. So viel sei aber gesagt: In sehr naher Zukunft sollten jüngere Kinder und ihre Eltern ein Auge auf uns haben. Und auch diejenigen, die mutiges oder hochwertiges Design mögen …