
Guerilla-Aktion in Berlin:
True Gum räumt die Kaugummi-Regale leer
Erdölbasierte Stoffe, Weichmacher, Latex: Die Leute sollten wissen, worauf sie rumkauen. Der alternative Hersteller True Gum kauft daher in Berlin Kaugummiregale leer und klärt Passanten in der Fußgängerzone auf.
"Das kommt mir nicht auf den Tisch". Dieser Satz würde vermutlich öfter fallen, wüssten Konsument:innen besser darüber Bescheid, was eigentlich in den Produkten steckt, die sie täglich konsumieren. Erdölbasierte Stoffe, Weichmacher, Latex, Stabilisatoren – was klingt, wie die Herstellung von Autoreifen oder Wandfarbe, ist tatsächlich die unbeschönigte Liste von Zutaten, die bei der Produktion von Kaugummis verwendet werden können. Schwer verdaubare Information, wortwörtlich. Darauf möchte der dänische Kaugummihersteller True Gum mit seiner aufsehenerregenden Kampagne "The Big Plastic Raid" aufmerksam machen. True Gum hingegen stellt nur biologisch abbaubaren Kaugummi her und ist nach eigenen Angaben das erste und einzige Kaugummiunternehmen weltweit, dessen Produkte als palmölfrei zertifiziert sind.
83 Prozent wissen nicht, dass Kaugummi Mikroplastik enthält
Denn obwohl laut True Gum derartige Inhaltsstoffe längst kein Geheimnis mehr sind und in der jüngeren Vergangenheit bereits zu Diskussionen führten, ist nur den wenigsten Menschen bewusst, worauf sie eigentlich kauen: So ergab eine repräsentative Umfrage des Kaugummiherstellers, dass 83 Prozent der Befragten nicht wissen, dass sie möglicherweise beim Konsum der meisten Kaugummis unwissentlich auf Plastik kauen. Etwa die Hälfte der Befragten gab an, dass Kaumasse ein Inhaltsstoff sein könnte, bei dem unklar ist, woraus er besteht.
Erst im Oktober wurde ein Inhaltsstoff vom der EU verboten
Grundsätzlich ist mangelnde Transparenz bei Inhaltsstoffen ein großes Problem, dem sich Konsument:innen gerade bei Lebensmitteln ausgesetzt sehen. Der Facharzt Assoz. Prof. PD DI Dr. med. Hans-Peter Hutter, stellvertretender Leiter der Abteilung für Umwelthygiene und Umweltmedizin am Zentrum für Public Health der Medizinischen Universität Wien, fordert: "Eine vollständige Offenlegung von Inhaltsstoffen sollte selbstverständlich sein. Für Konsument:innen liegt dann eine fundierte Entscheidungsgrundlage vor, die auch im Sinne eines vorbeugenden Gesundheitsschutzes zu sehen ist." Nicht umsonst wurde erst Anfang Oktober 2021 der Zusatzstoff Titandioxid, der sich unter anderem besonders häufig in Kaugummis findet, von der Europäischen Union verboten.
Die Menschen sollen wissen, worauf sie kauen
Mit dieser mangelnden Transparenz soll jetzt endlich Schluss sein: Um verstärkt über Inhaltsstoffe aufzuklären, startet True Gum eine Bewegung und befreite zusammen mit dem True Gum Squad vergangene Woche im Rahmen der Kampagne die Kiosk- und Späti-Regale in Berlin von Kaugummi mit bedenklichem Inhalt. In einem zweiten Schritt verpackte das True-Gums-Team den ganzen Marken ein Re-Packaging, das auf die bedenkliche Zutat aufmerksam machte und verteilte die neu eingepackten Samples an Passant:innen in Berlin.
Über Mikroplastik werden auch andere Stoffe wie Weichmacher aufgenommen
"Derzeit lässt sich noch nicht zuverlässig einschätzen, welches Risiko für die menschliche Gesundheit von Mikroplastik ausgeht. Aber: Mikroplastikartikel stellen Fremdkörper dar und können Entzündungsreaktionen auslösen. Problematisch ist nicht nur das Plastikteilchen an sich, sondern auch, dass über das Mikroplastik diverse Chemikalien wie etwa Weichmacher aufgenommen werden können. Einige dieser Substanzen können hormonell wirksam sein, andere wirken etwa auf das Nervensystem. Insgesamt lässt sich also trotz Forschungsbedarfes zu diesem Thema sagen: Förderlich ist die Aufnahme von Mikroplastik sicher nicht", so Hans-Peter Hutter.