Bundesliga-Monotonie:
FC-Bayern-Boss Kahn fände Meister-Playoffs gut
Die Meisterschale geht seit neun Jahren jedes Mal nach München. Die neue DFL-Chefin denkt jetzt über eine K.o.-Runde nach. FC Bayern-Boss Kahn findet die Idee gut. Aber damit stehen sie weitgehend allein da.
Wegen der Langeweile im Titelrennen der Fußball-Bundesliga hat sich eine Grundsatzdebatte über die Einführung von Meister-Playoffs entzündet. Ausgerechnet FC Bayerns Vorstandsboss Oliver Kahn zeigt sich offen für die Idee, die die Dominanz der Münchner zumindest theoretisch mehr dem Zufall aussetzen würde. "Ich finde es spannend, über neue Modelle wie Playoffs für die Bundesliga nachzudenken", sagte der einstige Nationalkeeper dem "Kicker". Von Fan-Seite gab es umgehend Kritik, auch Vertreter anderer Clubs äußerten sich ablehnend bis zurückhaltend.
"Wie in allen anderen Ligen in Europa muss auch in der Bundesliga der Leistungsgedanke über allem stehen", sagte Bayer Leverkusens Sportchef Rudi Völler am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. "In dieser wichtigen Frage darf man auf keinen Fall durch die Vereinsbrille schauen. Nach einem Jahr wird abgerechnet, und die Platzierung zeigt klipp und klar an, wie gut oder schlecht man gearbeitet hat. Nur das ist ehrlich und gerecht."
Mehr Spannung durch mehr Wettbewerb
Donata Hopfen, die neue Chefin der Deutschen Fußball Liga (DFL), hatte mögliche K.o.-Spiele ins Gespräch gebracht. "Die Liga wäre natürlich attraktiver, wenn sie mehr Wettbewerb an der Spitze hätte", hatte die 45-Jährige in einem Interview der "Bild am Sonntag" gesagt. "Wenn uns Playoffs helfen, dann reden wir über Playoffs." Ein Modus in der Bundesliga mit Halbfinals und Finale würde Spannung für die Fans bedeuten, findet Kahn. Möglicherweise ist man in München zu der Erkenntnis gekommen, dass der fehlende sportliche Wettbewerb um die Meisterschale auf Dauer schlecht für das Zuschauerinteresse und damit das Geschäft werden könnte.
Zum Beginn ihrer Amtszeit bringt Hopfen mehrere umstrittene Themen in die Debatte ein, sie will auch die Austragung des Supercups in Saudi-Arabien nicht ausschließen. "Jede Maßnahme, die uns in Zukunft Geld bringen soll, muss zu uns passen. Ich finde aber, wir können in dieser Hinsicht aktuell gar nichts ausschließen", sagte sie. Die Corona-Krise hat die Vereine finanziell gebeutelt, neue Einnahmequellen sind wichtig. Laut Hopfen hat der deutsche Profifußball Verluste von 1,3 Milliarden Euro in drei Corona- Spielzeiten gemacht.
Keine Mehrheit in der Liga
Nach einer "Kicker"-Umfrage innerhalb der Liga werden Playoffs von einer Mehrheit abgelehnt. Völler verwies im dpa-Gespräch auch auf mögliche negative Folgen für den DFB-Pokal: "Alles andere würde der Liga schaden, im übrigen auch und besonders unserem wunderbaren DFB-Pokal. Denn das ist doch schon unser Wettbewerb im Playoff-Modus, in jeder einzelnen Runde."
Auch Trainer Adi Hütter von Borussia Mönchengladbach steht der Idee kritisch gegenüber. "Wir haben es in Österreich ja schon länger, dass die Liga nach 22 Spielen geteilt wird in ein oberes und ein unteres Playoff", sagte der Coach aus dem Nachbarland. "Grundsätzlich kann man alles mal überdenken und überlegen. Aber ich weiß nicht, ob es fair ist, wenn der Vierte, der nach 34 Runden vielleicht 15 Punkte hinter dem Ersten ist, noch Meister werden kann." Sein Kollege Bo Svensson vom FSV Mainz 05 gab zu bedenken: "Rein wettbewerbstechnisch finde ich das ein bisschen problematisch."
Christian Streich vom SC Freiburg äußerte sich ebenfalls ablehnend: "Ich finde, dass derjenige, der nach 34 Spielen die meisten Punkte hat, auch Meister werden sollte." Er finde "die Meisterschaft in dem Modus, wie sie jetzt ist, am gerechtesten und mit der größten Aussagekraft. Aber nicht immer am spannendsten."
Vor- und Nachteile sieht Stuttgarts Coach Pellegrino Matarazzo: "Mit der Einführung der Playoffs würden wir als VfB eine größere Chance bekommen, mal Meister zu werden. Ob es wettbewerbsgerecht ist, ist eine andere Frage - vor allem, wenn Bayern München 34 Spieltage ganz oben steht." Florian Kohfeldt, Trainer beim VfL Wolfsburg, ist nach eigener Aussage auf die Diskussion gespannt, betonte aber auch: "Ich bin so aufgewachsen und halte eine Saison mit 34 Spieltagen für den gerechtesten Modus."
Rückenwind aus Bayern
Wolfgang Holzhäuser, ehemaliger DFL-Chef und Geschäftsführer von Bayer Leverkusen, ist dagegen schon lange ein Playoff-Befürworter: Den Portalen "Spox" und "Goal" sagte er: "Für mich ist es ein sehr gutes Zeichen, wenn der Vorstandsvorsitzende des unumstrittenen Marktführers Playoffs positiv betrachtet, denn das gibt der Diskussion viel Rückenwind." Ohne Änderungen sei der deutsche Fußball auf dem Weg in die internationale Zweitklassigkeit.
Die DFL beantwortete eine "Kicker"-Anfrage vorsichtig: "Es gibt in der Liga bekanntlich an diversen Stellen unterschiedliche Ideen mit Blick auf den Spielmodus, die aber aktuell weit von einem Beschluss und erst recht einer Umsetzung entfernt sind." Einen intensiven und strukturierten Diskussionsprozess mit offenem Ausgang werde man mit den Beteiligten führen. Zudem sind viele Fragen noch offen: Zum Beispiel zu einer weiteren Ausreizung des sowieso schon prall gefüllten Spielkalenders, zum Modus der Playoffs, zu einer möglichen Entwertung des DFB-Pokals.
Zwischen Spannung und Tradition
Die Liga muss dabei einen schwierigen Spagat schaffen: Einerseits das Interesse von Menschen und damit die Vermarktung hochzuhalten, und andererseits die traditionellen Fans nicht zu verprellen, denen die Kommerzialisierung im modernen Fußball ohnehin schon zu weit geht. Hopfens Vorgänger Christian Seifert warnte schon 2020: "Playoffs wären in der Bundesliga ein Kulturbruch. Das müsste von der breiten Masse getragen werden, von Clubs und Fans."
Das Fanbündnis "Unsere Kurve" wehrt sich vehement gegen die Idee. "Es ist bezeichnend, dass über ein neues Spielformat gesprochen wird, anstatt die tatsächlichen Probleme anzugehen, die zu einem fehlenden Wettbewerb an der Spitze führen", hieß es in einer Stellungnahme auf dpa-Anfrage. Vielmehr brauche es eine gleichmäßigere Verteilung der TV-Gelder und die Einführung eines nationalen Financial Fairplays, "die dringend notwendige Deckelung" von Gehältern im Fußball. (dpa/st)