
Gastbeitrag:
E-Commerce: Warum alle in Osteuropa verkaufen sollten
Die steigende E-Commerce-Affinität in Osteuropa und eine junge Bevölkerung sind für westliche Brands gute Voraussetzungen, um risikoarm neue Länder zu erobern. Tobias Ring, Director Growth Services bei Scayle, verrät, wie.

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180 Millionen Einwohner und damit rund 40 Prozent der europäischen Bevölkerung wohnen in Osteuropa. Das macht die Region - zumindest zahlenmäßig - zu einem attraktiven Markt. Doch viele unterschiedliche Sprachen und Kulturen lassen ihn auf den ersten Blick auch sehr kleinteilig und schwer zugänglich wirken. Und weil den osteuropäischen Verbrauchern auch noch das Klischee anhaftet, sehr preissensibel zu sein, haben viele Brands die Region noch nicht in ihre Sales- und Marketingstrategie integriert.
Dabei bietet Osteuropa auch einiges an Potenzial: Denn im Vergleich zum Westen ist die Wettbewerbsintensität aktuell noch gering. Und durch das Internet haben Unternehmen aus dem Westen vergleichsweise risikoarm eine ideale Möglichkeit, um für sich die Potenziale in der Region auszuloten.
So zählt zum Beispiel der polnische E-Commerce-Markt inzwischen zu einem der am schnellsten wachsenden E-Commerce-Märkte in Europa. Bis zum Jahr 2025 sollen die E-Commerce-Umsätze um 40 Prozent - von aktuell 14,4 auf 20,2 Milliarden US-Dollar - ansteigen. Seit der Corona-Pandemie kaufen 85 Prozent der Bevölkerung online ein und geben dabei im Schnitt 108 Euro pro Monat aus. Und Branchenbeobachter gehen nicht davon aus, dass dieser Trend nach dem Ende von Covid-19 wieder abebbt.
Westliche Shopsoftware-Lösungen mögen keine slawischen Sprachen
Gerade zum jetzigen Zeitpunkt kann es für westliche Brands interessant sein, First-Mover-Potenziale auszuloten und die osteuropäischen Märkte vor der Konkurrenz zu erschließen. Mit einem englisch- oder gar deutschsprachigen Webshop allerdings kommen sie hier nicht weit. Stattdessen heißt es, den eigene Online-Auftritt konsequent an die Bedürfnisse der Verbraucher vor Ort anzupassen. Dazu zählen nicht nur die Sprache im Webshop, sondern beispielsweise auch lokale Zahlungsmethoden, ein landessprachlicher Kundenservice und insbesondere auch das kulturelle Framing.
Und wie so oft steckt der Teufel auch hier im Detail. Denn sind die Texte im Webshop erst einmal übersetzt, stellen viele Unternehmen fest: Die eigene Shopsoftware-Lösung, die ursprünglich für romanische Sprachen konzipiert wurde, tut sich schwer damit, slawische Sprachen umzusetzen. Auch die Anpassung an die Landeskultur erfordert Fingerspitzengefühl und viel lokales Know-how. So sind die Polen beispielsweise in ihrem Kaufverhalten sehr nationalbewusst. Der einheimische Marktplatz Allegro.pl ist beliebter als das internationale Pendant Amazon. Und auch lokale Anbieter wie Groupon.pl, Neo.24.pl, Opineo.pl, Komputronik, Empik digital & Publishing oder Merlin.pl sind in Polen starke Marken.
Gleichzeitig schätzt gerade die junge Bevölkerung aber mehr und mehr auch Waren aus den USA oder West- und Mitteleuropa. Hier sollten die Unternehmen ansetzen und sich in Stellung bringen. Dabei müssen die Brands ein Gefühl dafür entwickeln, welche Produkte sie in welchen Ländern im Shop prominent bewerben, wie sie das Produktsortiment für die lokalen Bedürfnisse optimieren und wie sie die Suche so optimieren, dass die Kunden vor Ort schnell das finden, was sie suchen.
Der Zahlungsmix entscheidet über Kauf oder Nicht-Kauf
Auch der richtige Zahlungsmix im Online-Shop ist erfolgskritisch. Kreditkarten funktionieren natürlich international. Es gibt aber in jedem Land auch spezifische Zahlungsmethoden, die in Westeuropa wenig oder gar nicht genutzt werden. In Polen sind beispielsweise die heimische Payment-Lösung BLIK oder PayU sehr populär. Darüber hinaus lassen sich in Osteuropa die Konversionsraten schnell verdoppeln, wenn ein Online-Händler per Nachnahme liefert.
Doch während die Kunden ihr Paket gerne beim Empfang an der eigenen Haustür bezahlen, stößt diese Payment-Methode bei Händlern oft auf wenig Gegenliebe. Denn der Aufwand ist hoch: Welches lokale Logistiknetzwerk, dem die Kunden vor Ort vertrauen, kann Nachnahme abwickeln? Wer kontrolliert, was der Lieferdienst an der Tür in Empfang nimmt? Und was passiert im Falle einer Retoure? Damit diese Prozesse für den Versender und den Empfänger stets transparent bleiben, sollte der Versand und Rückversand jedes Pakets in Polen komplett über Track & Trace verfolgt werden können.
Auf diese Weise können auch transaktionale E-Mails automatisiert verschickt werden. Das bedeutet: Kunden erhalten einen Hinweis, wenn ihr Paket das Logistikzentrum verlässt, wenn es sich in Zustellung befindet oder wenn ihre Retoure wieder beim Händler angekommen ist. Kunden fühlen sich über den Versandstatus gut informiert und bestellen im Idealfall nach der guten Customer Experience beim Kauf auch wieder bei diesem Händler.
Marketing-Hacks: Influencer und Rabatte
Neben dem Online-Shop muss natürlich auch das Marketing an die Landeskultur angepasst werden. Hier sollten die Unternehmen wissen, dass bei osteuropäischen Kunden der Besuch von Preis- und Produktsuchmaschinen wie beispielsweise Glami fester Bestandteil der Customer Journey ist. Wer seine Produktdaten-Feeds hierfür nicht optimiert hat und deswegen nicht oder nur schlecht auf der jeweiligen Suchmaschine präsent ist, verschenkt erhebliches Potenzial. Darüber hinaus haben - wie in Westeuropa auch - Influencer einen starken Einfluss darauf, was vor allem die jüngeren Verbraucher kaufen. Als besonders erfolgversprechend hat sich in der Vergangenheit erwiesen, auf lokale Idole und aggressive Rabatte zu setzen. Allerdings ist im Vergleich mit dem Wettbewerb der absolute Preis oftmals nicht so wichtig wie der empfundene Preis.
Schlussendlich müssen auch die rechtlichen Voraussetzungen in den Zielländern erfüllt werden, was ebenfalls viel landesspezifisches Know-how erfordert. Gerade für Unternehmen mit wenig Ressourcen kann dies eine Herausforderung sein. Eine Möglichkeit für den schnellen Einstieg in neue Regionen ist es, auf bereits vorhandene Strukturen zu nutzen.
Wie Marc O'Polo 23 Länderauftritte verwaltet
Eine Möglichkeit für den schnellen Einstieg in neue Regionen ist es, auf bereits vorhandene Strukturen aufzusetzen. Marc O‘Polo beispielsweise migrierte seine 23 Länderauftritte auf die Shop-Technologie der About-You-Tochter Scayle, um seine Ländershops bewusst unterschiedlich zu lokalisieren und damit den Pflegeaufwand im Kosten-Nutzen-Gleichgewicht zu halten. Kleinere Länder mit weniger Marktpotenzial wie zum Beispiel Estland wurden nur in englischer Sprache und mit global übergreifenden Versand- und Payment-Methoden ausgerollt. In anderen Ländern, wie z.B. in Polen, wurde der Shop vollständig lokalisiert mit landesspezifischer Sprache, Carrier und Payment. Trotzdem können diese Aktivitäten über die Scayle-Plattform zentral gesteuert werden. Somit hat die Fashionbrand Marc O‘Polo mehr Flexibilität für zukünftige Anpassungen. Backend und Frontend sind nun getrennt und sämtliche Prozesse laufen über die neue Technologie.
Die neuen Möglichkeiten kommt der Marke bei der Expansion in weitere Länder zugute. Sehr schnell konnte die Fashion Brand Testballons in den USA und Mexiko starten. Sollten die Tests erfolgreich sein, werden auch diese bisher einfach gehaltenen Auftritte schrittweise weiter lokalisiert, bis hin zu einer Voll-Lokalisierung mit Customer Service in der jeweiligen Landessprache.
Dieses Gastbeitrag ist Rahmen der Kooperation von About You und Moonova entstanden. Tarek Müller wird am 22. Febraur beim unserem digitalen B2B-Event für Digital Commerce und Marketing erzählen, wie Lifestyle-Marken ihr D2C-Geschäft in Fahrt bringen können. Die Tickets sind kostenlos.