E-Commerce unverzichtbar geworden

Der Anteil "zufriedener" und "sehr zufriedener" Onlinekäufer erreichte mit 96,3 Prozent laut BEVH einen neuen Rekordwert. Nie zuvor haben Menschen in Deutschland so viel online eingekauft und gleichzeitig eine so hohe Zufriedenheit geäußert. Das gilt auch für das kritische vierte Quartal. Anders als befürchtet blieben Auswirkungen von Lieferkettenstörungen im E-Commerce weitgehend aus.

Festzustellen war eine erhöhte Bestellfrequenz. Gut vier von zehn Befragten (40,9 Prozent) gaben an, öfter als einmal in den vergangenen sieben Tagen online bestellt zu haben. Das ist mehr als im Vorjahr (2020: 39,7 Prozent) und deutlich mehr als vor der Pandemie (2019: 33,2 Prozent).

Dass E-Commerce in der Breite der Gesellschaft angekommen ist, zeigt sich in der Bestellhäufigkeit nach Altersgruppen. Seit Pandemiebeginn gilt nicht mehr, dass E-Commerce vor allem von Jüngeren genutzt wird. Käufer ab 50 Jahren sind erneut für mindestens die Hälfte aller Kaufakte im Internet verantwortlich.

Umsatzentwicklung im E-Commerce mit Waren nach Segmenten (alle Angaben in Mio. Euro, inklusive USt.).

Umsatzentwicklung im E-Commerce mit Waren nach Segmenten (alle Angaben in Mio. Euro, inklusive USt.).

Aussehen des E-Commerce ändert sich insgesamt

Inzwischen gehört auch die Bestellung über mobile Endgeräte wie Smartphones und Tablets zur Normalität. Innerhalb der vergangenen zwei Pandemiejahre erhöhte sich das Umsatzvolumen des Mobile Commerce um 56,5 Prozent auf 39,9 Mrd. Euro, gut 40 Prozent des gesamten E-Commerce-Umsatzes mit Waren im Jahr 2021. Vor Jahresfrist lag der mobil generierte Umsatz noch bei 28,1 Mrd. Euro, was anteilig einem Drittel entsprach.

14- bis 29-jährige kauften in zwei von drei Fällen über Smartphone oder Tablet ein. Social Media und Apps sind für sie nach Suchmaschinen und Onlineshops die wichtigen Informationskanäle vor dem Kauf. Seit 2017 ist allein die Relevanz von Social Media für jüngere Onlinekäufer um 350 Prozent gewachsen.

"Mit der bald dominierenden Nutzung von mobilen Endgeräten für den Einkauf ändert sich auch das Aussehen des E-Commerce insgesamt. Mit Apps und der Nutzung von Social Media entstehen neue Chancen für Händler, ihre Kunden zu erreichen und für sie relevant zu bleiben", so Martin Groß-Albenhausen, Stellvertretener Hauptgeschäftsführer und verantwortlich für die Marktforschung des Verbandes.

Wachtumstrends nach Waren und Versendern gleichen sich an

In der Pandemie wuchsen die einzelnen Warengruppen sehr unterschiedlich. Zum Jahresende 2021 hat sich das Umsatzwachstum der einzelnen Warengruppen wieder auf einem Niveau leicht über dem langjährigen Mittel angeglichen. Nach wie vor ausgenommen sind davon Waren des täglichen Bedarfs. Lebensmittel, Drogeriewaren und Tierbedarf konnten mit einem Plus von 36,4 Prozent abermals deutlich und am stärksten zu (2020: 40,9 Prozent).

Mit einem Brutto-Umsatz von 50,5 Mrd. Euro (2020: 42,1 Mrd. Euro) machte der Kauf über Online-Marktplätze mehr als jeden zweiten Euro im E-Commerce aus. Am stärksten zulegen konnte im Vergleich der Versender jedoch der Direktvertrieb (D2C) von Herstellern. Stationäre Händler, die auch im E-Commerce tätig sind (Multichannel-Handel), verzeichneten Umsatzwachstum von 16,7 Prozent. Damit war ihr Wachstum nicht so stark wie das der Internet-Pure-Player mit 18,4 Prozent (2020: 9,5 Prozent).

Prognose: E-Commerce für Kund:innen selbstverständlicher denn je

Kein Wunder also, dass der Onlinehandel auch in diesem Jahr eine Fortsetzung des Booms erwartet. Aktuell geht der Verband davon aus, dass die Umsätze mit Waren im Jahr 2022 um weitere zwölf Prozent steigen werden. E-Commerce allein mit Waren wird voraussichtlich mehr als 110 Mrd. Euro brutto umsetzen.

"Das Bekenntnis der neuen Bundesregierung zu Digitalisierung und zum E-Commerce in Deutschland, wie wir es im Koalitionsvertrag finden, begrüßen wir sehr. Wichtig ist jetzt, die Entwicklung unserer Branche nicht durch einseitige Belastungen, übergroßen Formalismus und in Gesetze gegossene Angst vor ihrem Erfolg unangemessen einzuschränken. Wir wünschen uns den Mut, auf die Zukunft des Handels zu setzen, statt überkommene Strukturen zu bewahren – in Deutschland und in Europa", so Christoph Wenk-Fischer, Hauptgeschäftsführer des BEVH.

Stationärer Handel hat das Nachsehen

Die Euphorie im Onlinehandel steht in dramatischem Kontrast zur Lage vieler Mode-, Schuh- und Elektronikhändler in den Fußgängerzonen und Einkaufszentren, die unter ausbleibenden Kunden und Umsatzeinbrüchen leiden. Ketten wie Douglas, Media Markt, Saturn, oder Ikea versuchen, sich mit eigenen Onlineshops gegen die Konkurrenz zu behaupten - einige durchaus mit Erfolg. In einer Aufstellung des Handelsinstitutes EHI der 100 größten deutschen Onlineshops platzierten sich Media Markt, Saturn, Ikea und H&M unter den Top 10 der umsatzstärksten Anbieter - mit deutlichem Abstand zum Spitzenreiter Amazon. Andere wie C&A (Platz 83) und Galeria (Platz 90) rangierten unter ferner liefen.

Konkret: Der Elektronikhändler Ceconomy mit seinen Ketten Saturn und Media Markt steigerte seine Online-Umsätze um 65 Prozent und konnte damit den pandemiebedingten Rückgang im stationären Geschäft mehr als wettmachen. Innerhalb von zwei Jahren hat sich der Onlineumsatz des Konzerns mehr als verdoppelt. Er liegt bei 6,9 Milliarden Euro. Damit entfällt ein Drittel des gesamten Geschäfts auf den E-Commerce. Deutschlands größter Möbelhändler Ikea konnte seine Onlineumsätze sogar mehr als verdoppeln und den Onlineanteil am Umsatz auf 34,3 Prozent steigern. Dennoch verlor der Möbelriese unter dem Druck der Online-Konkurrenz erstmals seit langem Marktanteile. Auch Deutschlands größte Parfümeriekette Douglas (Platz 21) konnte im Geschäftsjahr 2020/21 dank einer Umsatzsteigerung von fast 50 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro im Onlinehandel den pandemiebedingten Rückgang im Filialgeschäft von rund 19 Prozent weitgehend ausgleichen.

Doch längst nicht alle bekannten Handelsketten sind so erfolgreich. Deutschlands letzte große Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof etwa kann bislang die pandemiebedingten Einbußen in ihre Häusern nicht annähernd durch das eigene Onlinegeschäft kompensieren.

Das gilt erst recht für viele kleinere Händler. Sie haben ein doppeltes Problem: Erstens ist es für sie schwer, im Internet überhaupt wahrgenommen zu werden. Zweitens ist der Preiskampf wegen der einfachen Vergleichsmöglichkeiten noch härter als im Laden. Die beste Strategie scheint da für viele, die eigene Ware auf einem Marktplatz wie Amazon oder eBay anzubieten. Laut BEVH entfielen 2021 gut die Hälfte der Umsätze im Onlinehandel auf Marktplätze. Doch die Konkurrenz ist auch hier groß.

D2C macht kleinen Händlern das Leben zusätzlich schwer

Erschwert wird den klassischen Händlern das Überleben aber auch dadurch, dass immer mehr Hersteller den Onlinehandel nutzen, um den Handel zu umgehen und ihre Ware direkt an die Kunden zu verkaufen. Laut BEVH stieg das Versandvolumen der Hersteller im vergangenen Jahr um 25,4 Prozent auf 3,4 Milliarden Euro. Nach einer Studie der Unternehmensberatung Capgemini ist der Einkauf direkt beim Hersteller vor allem bei jungen Menschen beliebt. Dennoch gibt es einen Hoffnungsschimmer für die Händler in den Fußgängerzonen. In derselben Umfrage kündigten 63 Prozent der befragten Verbraucher an, dass sie nach dem Ende der Pandemie wieder in größerem Umfang in stationären Ladengeschäften einkaufen wollen.


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Autor: Marina Rößer

Marina Rößer hat in München Politische Wissenschaften studiert, bevor sie ihre berufliche Laufbahn in einem Start-up begann und 2019 zu W&V stieß. Derzeit schreibt sie freiberuflich von überall aus der Welt, am liebsten in Asien, und interessiert sich besonders für Themen wie Nachhaltigkeit und Diversity.