Rosa Kriesche-Küderli, Serviceplan:
"Die Quote meint es gut mit uns allen"
Rosa Kriesche-Küderli, Executive Strategy Director bei Serviceplan, ist genervt, wenn wieder mal "die Quotensau" durchs Dorf getrieben wird. Warum die Frauenquote uns allen guttun würde, schreibt sie hier.
Schon wieder wird über die Quote debattiert und immer wieder finden sich neue Expert:innen ein, die gerade so richtig in das Thema einsteigen. Bold, laut und voll dafür oder voll dagegen. Neulich war hier wieder ein Artikel zu finden, der verkürzt Folgendes mitgeben möchte: Wir in unserer Agentur machen das sowieso schon immer super. Frauen sind schließlich auch super. Aber Quote ist voll nicht gut, weil dann kann ich ja nicht mehr die Besten einstellen.
Das Wort Quote scheint erdrückend und bevormundend und die Umsetzung geschäftsschädigend. Schlimmer noch spaltet die Quote, da die Debatte losgelöst vom Faktencheck ideologisch geführt wird und alle zum Opfer erklärt.
Ich möchte für dieses hässliche Wort aber eine Lanze brechen, denn die Quote meint es eigentlich gut mit uns allen. Und damit meine ich nicht eine austauschbare Agentur oder unsere Branche, sondern ganz verrückt und inklusiv unsere Gesellschaft. Ich denke, wir können uns darauf einigen, dass wir es alle schön fänden, wenn wir von denen geführt werden, die uns als Gesellschaft repräsentieren: von Männern und Frauen mit unterschiedlichen Geschichten und Lebenswirklichkeiten. Entscheidungen werden dadurch besser, weil wir alle diese Menschen in gleichem Maße hören und berücksichtigen können.
Jetzt gibt es Länder, Branchen und Agenturen, bei denen das eben nicht so super läuft mit der Diversität an der Spitze. Man kann nun auf die Selbstverpflichtung von Ländern, Branchen und Agenturen hoffen, mehr Frauen in Führungspositionen zu setzen. Sie haben also freie Hand, was die Ausgestaltung ihrer Maßnahmen betrifft. Und jetzt der Clou: Die meisten Unternehmen haben sich eine Quote vorgenommen. Sie beschreibt ja lediglich ein Ziel, das man erreichen möchte. Denn ohne messbare Ziele kein messbarer Erfolg. Ich selbst habe diese Quoten auf Jahresveranstaltungen diverser Agenturen über eine Powerpointslide huschen sehen. Allerdings waren diese Quoten nie an nennenswerte Incentives, Maßnahmen oder Sanktionen geknüpft. Geändert hat sich in den letzten zehn Jahren agenturseitig nichts.
Wenn wir über den Agenturtellerand blicken, wird auch seit zehn Jahren eine europaweite Quotenregelung (für Aufsichtsräte) der Europäischen Kommission von einigen Ländern (allen voran Deutschland) blockiert, "weil man dann ja nicht mehr die Besten einstellen kann".
Die Non-Profit-Organisation European Women on Boards hat gemessen, dass im Jahr 2021 in 668 börsennotierten europäischen Unternehmen sieben Prozent Frauen als CEO an der Spitze saßen. In Deutschland waren es sogar nur drei Prozent. Allerdings gab es aufgrund von bindenden Quotenregelungen Fortschritte bei der Besetzung von Aufsichtsräten, wo heute auf europäischer Ebene 35 Prozent Frauen verzeichnet werden (nachzulesen hier). Auch hier sind die Fortschritte schneller und deutlicher in den Ländern, die gesetzliche Quoten eingeführt hatten. Diese Länder gehören auch zu den wirtschaftlich erfolgreicheren Nationen. Der wirtschaftliche Schaden, den Quoten vermeintlich nach sich ziehen, ist daher nicht auszumachen.
Auch wenn eine gesetzliche und bindende Quote für Frauen in Führungspositionen für unsere Branche wohl nie Einzug halten wird, so ist es doch problematisch, sich kategorisch und polemisch dagegen auszusprechen. Seit zehn Jahren kämpfen die Kommission und freiwillige Vereine dafür, unsere Gesellschaft gerecht auszugestalten. Seit zehn Jahren hat sich auf freiwilliger Basis keine Veränderung eingestellt. Seit zehn Jahren scheint es so, als würden sich unter den "Besten" zu 97 Prozent nur Männer finden.
Aus meiner Sicht würden einer Branche, die 2022 mehrheitlich von Männern geführt und von Frauen in den unteren Rängen getragen wird, die von Sexismusvorwürfen gebeutelt und von Mitarbeitermangel gezeichnet ist, ein paar Quotenfrauen nicht schaden. Sich gegen eine Quote auszusprechen, weil man selbst nicht betroffen ist, ist egoistisch oder uninformiert.
Angst vor der Quote sollten tatsächlich nur diejenigen haben, die es sich nicht zutrauen, die begleitenden Maßnahmen, die es für eine Zielerreichung der Quote benötigt, umzusetzen. Der reflexartige Ruf nach "Bestenauslese" ist unter Berücksichtigung der Entwicklungen der letzten zehn Jahre 2022 zynisch. Schließlich hat diese vermeintliche Bestenauslese zu den patriarchalisch geprägten Agenturkulturen geführt, wie wir sie heute noch immer überwiegend vorfinden.
Zur Autorin: Dr. Rosa Kriesche-Küderli ist seit 15 Jahren im Bereich Marketing und Kommunikation tätig. Sie promovierte an der Wirtschaftsuniversität Wien zum Thema "Werbeerfolg" und hatte im Laufe ihrer Karriere unter anderem Stationen bei FCB Wien, OMD Los Angeles und Serviceplan München, aktuell in der Position als Executive Strategy Director. Rosa Kriesche-Küderli ist seit einem Jahr Vorstandsmitglied und Vorsitzende des Komitees für Forschung und Kommunikation bei der Non-Profit-Organisation European Women on Boards und verantwortet dort die Gender Diversity Index Studie. In ihrem Executive MBA der Berlin School of Creative Leadership forschte Kriesche-Küderli an Genderstereotypen in der Führung und publizierte die Studie "the patriarchy of leadership".